Kinder sind Pornos
Erik Möller 01.11.2000
Ein persönlicher Bericht über Deutschlands
oberste Moralhüter - Teil II
[ Teil I ]
Nach dem Thema Gewalt und Computerspiele
geht es auf der Tagung um nackte Kinder, was den Referenten
Wilfried Schneider von der Bundesprüfstelle sehr erregt. Er erläutert
die bisherige Spruchpraxis bei FKK-Fotos. Es geht ihm darum, einen
stetigen Fortschritt in der Indizierungspraxis zu zeigen. Zunächst,
bis Anfang der 70er, sei nahezu alles indiziert worden, was auch
nur annähernd sexuell gewesen sei. Er zeigt uns ein Foto von
einer Frau in Unterwäsche auf dem Titelbild der Zeitschrift
"Her" als Beispiel. Lachen im Publikum, niemand findet
das noch pornographisch.
Ab 1971 änderte sich die Spruchpraxis, Hefte mit einfachen
Nacktfotos konnten frei verkauft werden. Schneider zeigt uns als
Beispiel einige nackte Männer und Frauen, darunter ein nackter
Mann auf dem Titelblatt der Zeitschrift "Him", die im
Gegensatz zu ihrem harmlosen weiblichen Vorgänger nicht indiziert
wurde: Ironie der Geschichte.
Dann zeigt uns der Referent eine offenkundig an Pädophile
gerichtete Anzeige, in der für die Zeitschrift "Kim"
geworben wird. Wir sehen einen vielleicht 12-jährigen Jungen
nackt von hinten, daneben einen Text, der ungefähr so lautet:
"Lieben auch Sie das Lächeln und die Natürlichkeit junger
Knaben, fühlen Sie sich von ihren hübschen Gesichtern
verzaubert" usw. Natürlich richtet sich der Text an pädophile
Leser. Mit unheilsschwangerer Stimme verkündet Schneider:
"So etwas hat man damals noch nicht gesehen." Mit
anderen Worten: Die 50er waren zu konservativ, die 70er zu
liberal. Warum wir aber die Darstellung eines nackten Jungen von
hinten als jugendgefährdend ansehen sollen, wird uns nicht erklärt.
Der Referent kann auf einen emotionalen Konsens im Publikum bauen,
wie ich später noch feststellen werde.
Er verweist auf den Indizierungsantrag gegen das FKK-Magazin
"Sonnenfreunde", der 1985 zurückgewiesen wurde, und auf
das Mutzenbacher-Urteil
des Bundesverfassungsgerichts von 1990, in dem die Freiheit der
Kunst auch für pornographische Werke zugesichert wurde. Eine
schwere Niederlage für die BPjS, die die fiktiven "Memoiren
einer Hure" schon seit 1968 indiziert hatte, da es sich
(unter anderem) um "nichts anderes als
Kinderpornographie" handle. Seit dem 1990er-Urteil sei es
noch schwerer geworden, gegen Schmutz und Schund vorzugehen.
Was Schneider nicht erwähnt: Bei Amtsantritt 1991 hatte
Monssen-Engberding festgestellt, dass sie in "in einem
nackten Menschen keine Jugendgefährdung" sehe. Ähnliches
wiederholte sie in Fernsehinterviews.
Wilfried Schneider verrät uns immerhin, dass noch 1992, vor
allem aufgrund eines Gutachtens von Prof. Horst Scarbath aus
Hamburg, von einer Indizierung der Zeitschrift
"Sonnenfreunde" erneut abgesehen wurde. Der
Medienwirkungsforscher hatte keine Jugendgefährdung feststellen können.
Nur vier Jahre später änderte sich die Haltung der BPjS aber
grundlegend (obwohl Schneider natürlich keinen Haltungswechsel
sieht), im Dezember 1996 wurden die ersten FKK-Hefte ("Aus
der Welt der FKK-Jugend", "Jung und Frei")
indiziert.
Die Urteilsbegründungen hat man uns mitgegeben. Darin heißt
es unter anderem: "Indem die Hefte Natürlichkeit und
Harmlosigkeit suggerieren, gaukeln sie vor, Kinder hätten Spaß
an den auf den Bildern eingenommenen Posen. Die Abbildungen aller
Altersgruppen erweckt [sic] zudem den Anschein, dass Kinder und
Jugendliche keine natürliche Scham hätten - was nicht zutreffend
ist." (Hervorhebungen von mir.) Andernorts, als einzelner
Absatz ohne Begründung: "Bei Kindern und Jugendlichen werden
pädophile Neigungen hervorgerufen oder verstärkt." Und
weiter unten: "Hierbei kann offen bleiben, ob der Nachweis
einer solchen Wirkung unter Zugrundelegung wissenschaftlicher
Kriterien [...] überhaupt erbracht werden kann."
Es werden im Rest des Urteils Missbrauchstherapeuten zitiert,
ohne dass gegenüber deren Methodik eine kritische Distanz
erkennbar wäre. Dies wäre aber angebracht angesichts massiver
empirischer Daten zum False Memory Syndrome, der Eingebung
falscher Erinnerungen durch den Therapeuten, ein Phänomen, das
z.B. dazu geführt hat, dass unter Einfluss der Psychotherapie
entstandene Aussagen vor Gericht oft nicht mehr zugelassen werden.
Eine umfangreiche Analyse der Problematik liefern Richard Ofshe
und Ethan Watters in Making
Monsters: False Memories, Psychotherapy, and Sexual Hysteria
(1996).
Man muss dem Referenten zugute halten, dass wesentliche Teile
der Literatur zum Thema nicht ins Deutsche übersetzt wurden,
obwohl bereits 1993 der Spiegel (39/1993 Seite 87-102) über
massenhafte Falschaussagen, die unter Therapie entstanden sind,
berichtet hat. Kinder behaupteten, von Kindergärtnern zum Essen
von "Kot mit Ketchup" gezwungen, gefoltert und von Außerirdischen
entführt worden zu sein. Tatsächlich hatten die
"Therapeuten" durch Schaffung einer Atmosphäre, in der
nur Anschuldigungen als Antworten zulässig waren, die Aussagen
erzeugt.
In der Praxis mit Erwachsenen, die nach 20 Jahren "unterdrückte"
Erinnerungen von Missbrauch "wiederentdecken" sollen, um
Problemen wie Kopfschmerzen oder Schlaflosigkeit zu begegnen,
bitten die "Therapeuten" ihre Patienten oft, sich die nächsten
Monate auf das Szenario des Missbrauchs einzulassen. Wenn es dem
Patienten dann immer noch unglaubwürdig erscheine, könne man
sich anderen Ursachen widmen. Kein Wunder, dass fast jeder Patient
am Ende ein "Überlebender" ist.
Dass diese Fakten 1996 noch nicht Eingang in das BPjS-Urteil
fanden, ist zu einem gewissen Grad verständlich. Doch die
Rhetorik des Referenten im Jahr 2000 lässt keinerlei Distanz zu
derartigen Verfehlungen, die Tausende Familien auseinandergerissen
und Unschuldige ins Gefängnis gebracht haben, erkennen und ist
nicht zu entschuldigen. Statt dessen wiederholt Wilfried Schneider
die Urteilsbegründung von 1996, in der 1) auf die
Nichtnotwendigkeit von Wissenschaft hingewiesen wurde und 2) fragwürdige
Arbeiten aus dem Missbrauchs-Milieu zitiert wurden.
Jugendliche könnten sich FKK-Hefte aus eigener Initiative
besorgen und folglich pädophil werden, oder sie könnten von
"Kinderschändern" (der Begriff suggeriert eine Schande
für das Kind, so wie der Begriff "Missbrauch" einen
korrekten "Gebrauch" von Kindern suggeriert) damit gefügig
gemacht werden.
Die BPjS habe mit der Indizierung gewonnen, die Bundesrepublik
Deutschland habe gewonnen. Ersteres glaube ich gerne, letzteres
kaum. Seine Position belegt Schneider durch einige ausgewählte
FKK- Bildchen. Natürlich handelt es sich teilweise um Magazine,
die sich vorwiegend an eine pädosexuelle Leserschaft wenden,
spezielle Kinder- und Jugendausgaben lassen kaum einen Zweifel
daran zu (wobei eine der indizierten Zeitschriften das Thema
"Gewalt in den Schulen" hatte).
Die Texte haben oft mit den Bildern nichts zu tun und dienen
eher als Rechtfertigung zur Fleischbeschau, wie es auch bei
Pornomagazinen für Heterosexuelle üblich ist. Bei einem Foto,
das ein lächelndes, nacktes kleines Mädchen und einen knienden
Mann mit Megaphon unter der Überschrift "He du, fotografier
mich mal" (oder ähnlich) zeigt, weist Schneider darauf hin,
dass es sich nicht etwa um einen Fotoapparat, sondern eben um ein
Megaphon handelt. Das wäre nicht überraschend, denn Kinder ließen
sich von Natur aus nicht nackt fotografieren.
Ketzerei und verbotene Fragen
Als das Referat Herrn Schneiders endet, wird um Fragen oder
Wortmeldungen gebeten. Ich melde mich und schreite zum Mikro:
"Eine Frage habe ich eigentlich nicht, aber ich möchte ein
paar Dinge sagen. Wollte ich alles widerlegen, was der Referent
gesagt hat, bräuchte ich ebensoviel Zeit. Einige Punkte möchte
ich jedoch ansprechen. Zum ersten: Kinder lassen sich nackt
fotografieren, das ist etwas völlig Normales. Kinder haben eine
eigene Sexualität, das ist seit mehr als 20 Jahren
wissenschaftlich erwiesen.
Ich kenne Berichte sowohl von Eltern als auch von Kindern darüber,
wie sie um Fotos bitten - nackt oder sogar masturbierend - und
teilweise als Erwachsene sich diese Fotos noch an die Wand hängen."
"Das ist doch Unsinn", schallt es mir von irgendwoher
entgegen. Ich lasse mich nicht beirren. "Weiterhin
argumentieren Sie unlogisch, indem Sie auf der einen Seite
Nacktheit auf dem FKK-Strand tolerieren und auf dem Foto
verbieten. Wenn ich Kinder hätte, könnte ich sie also zum
FKK-Strand mitnehmen und sie würden die gleiche Nacktheit sehen,
auf dem Foto ist diese jedoch tabu. Ist es Missbrauch, ein Kind
nun nackt zu fotografieren?"
"Ja", beantwortet der Referent meine Frage ohne zu zögern,
ohne darüber nachzudenken. "Es fällt mir ehrlich gesagt
schwer, Ihnen zuzuhören, aber wenn das Ihre Frage ist, habe ich
sie beantwortet", so der Diplom-Sozialarbeiter weiter.
"Ich möchte Ihnen keine Frage stellen, wie ich schon
sagte, sondern nur einige Punkte ansprechen." "Lassen
Sie ihn bitte sein Statement zu Ende bringen", bittet die
Moderatorin.
"Ihr Naserümpfen gegenüber der Wissenschaft erinnert
mich an die Reaktion von Richard Nixon auf die Ergebnisse der Presidential
Comission on Obscenity and Pornography.
Man müsse die Negativwirkung von Pornos nicht nachweisen, der
gesunde Menschenverstand reiche vollkommen."
"Interessiert irgend jemanden, was der sagt?" fragt
eine Frau in meiner Nähe.
"Es ist mir schon klar, dass ich hier gegen eine Mauer
anlaufe. Ich halte es aber trotzdem für wichtig, ein paar Dinge
anzusprechen. - Was die Wirkung auf Pädophile angeht, so ist
diese für die BPjS nicht relevant. Ich kenne Pädophile - ich bin
kein Pädophiler, um das klarzustellen -, und von diesen weiß
ich, dass sie nicht nur Kinderpornos konsumieren, sondern alle
Materialien, die mit Kindern zu tun haben."
"Gehen Sie bitte nicht ins Detail und kommen Sie zum
Ende", fleht die Moderatorin.
"Ich bin gleich fertig. Wenn wir nach der Wirkung auf Pädophile
gehen, müssen wir auch normale Fotos von Kindern indizieren, denn
auch die können Pädophilen als Wichsvorlage dienen. Das kann ja
wohl nicht der Weg sein, den wir gehen wollen. Danke."
Ich begebe mich an meinen Platz zurück. Es herrscht
Totenstille.
"Gibt es noch Fragen?"
Ich fühle mich wie jemand, der auf einer Versammlung von
bibelgläubigen Christen von der Evolutionstheorie erzählt hat.
Die Wirkung meiner kurzen Rede war so bombastisch, dass sich
sogar die nächste Referentin zunächst sammeln muss. "Auch
mich haben diese Worte sehr aufgewühlt", sagt Claudia
Bundschuh, Diplom-Pädagogin aus Köln. Sie hat im Auftrag des
BMFSFJ eine Studie zu den "Entstehungsbedingungen von Pädosexualität"
durchgeführt, in Kürze erscheinen die Ergebnisse ihrer Forschung
auch in Buchform. In ihrem Referat soll es um Konsum und Wirkung
von Kindererotika und Kinderpornographie gehen.
"Ich muss dem Herrn von eben gleich widersprechen, denn
wir haben sehr wohl eine negative Wirkung von Nacktbildern auf
Kinder festgestellt. Pädophile nutzen diese Bilder nämlich
teilweise, um Kinder für den sexuellen Missbrauch gefügig zu
machen." Ihre Analyse beruht vor allem auf Gesprächen mit Pädophilen.
Sie weist zunächst darauf hin, dass Kinder ein Recht auf eigene
Sexualität hätten, dieses aber angesichts des Machtgefälles
zwischen Kindern und Erwachsenen in einer pädophilen Beziehung
zwangsläufig verletzt werde.
"Man wird nicht pädosexuell"
Frau Bundschuh weist die Zuhörer darauf hin, dass man nicht pädosexuell
werde -- die von ihr befragten Pädophilen hatten diese Neigung
sehr früh entdeckt, und sie schien sich auch nicht mehr zu ändern.
Damit widerspricht Bundschuh aber der Begründung der BPjS zu der
Indizierung der FKK-Zeitschriften, in der von einer Gefahr für
Kinder und Jugendliche ausgegangen wird, die durch den Konsum pädophil
werden könnten.
Tatsächlich hat Frau Bundschuh ein eigenes Entstehungsmodell für
die Pädophilie entwickelt, das mich von seiner
Wissenschaftlichkeit her an freudianische Ödipalmodelle erinnert.
Anhand eines komplexen (aber nicht empirisch begründeten)
Schaubildes erläutert sie, Kinder würden sich in Richtung der Pädophilie
entwickeln, weil die patriarchalische Gesellschaft ihnen falsche
Rollenbilder aufzwänge. Mannbarkeitsriten und Macho-Kultur
machten Männer zu Monstern.
Wegen eines unzureichend ausgebildeten Problembewusstseins
seitens der Eltern würden pädophile Tendenzen nicht frühzeitig
erkannt. Sie zitiert als Beispiel den Fall eines 14-Jährigen, der
eine 7-Jährige "oral vergewaltigt" haben soll. Er habe
nur kurzzeitigen Hausarrest bekommen. Wenn man solchen Kindern ihr
Unrecht nicht klar mache, entwickelten sie sich später nur allzu
leicht zu Pädosexuellen.
Das dahinterstehende Weltbild ist eines, das ich bereits in
meinem Artikel Gefährliche
Doktorspiele angesprochen habe. Nach Meinung mancher
Therapeuten missbrauchen sich Kinder gegenseitig; ob sie den
"Missbrauch" als angenehm empfinden und wiederholen ist
irrelevant bzw. Zeichen einer sich abzeichnenden Tendenz, später
selbst zu Missbrauchern zu werden. Als Beispiele werden zunächst
Fälle zitiert, bei denen man sich allgemeiner Zustimmung sicher
sein kann - Vergewaltigungen, Fälle mit großen Altersdifferenzen
- bis dann auch 11-Jährige wegen "Missbrauchs" in
Therapie und/oder Gefängnis kommen (siehe Fall Raoul).
Wegen der mangelnden öffentlichen Auseinandersetzung mit der
fragwürdigen Methodik der Therapeuten kann sich diese neue Welle
des "Missbrauchs mit dem Missbrauch" (Katharina Rutschky)
ungehindert ausbreiten.
Frau Bundschuh widerspricht ihren eigenen Behauptungen und der
BPjS- Begründung zur FKK-Indizierung, als sie darauf hinweist,
dass es "Pädophile gibt, die ihre Bedürfnisse ausschließlich
in der Fantasie ausleben". Mit anderen Worten: Ihnen dienen
FKK-Hefte und Kinderpornos als Triebabfuhr. Was passieren könnte,
wenn man FKK-Hefte unzugänglich macht und den Besitz von - sogar
fiktiven - Kinderpornos weiterhin verbietet, kann sich jeder
selbst ausmalen.
Die geläufige "Hypothese" (die so wissenschaftlich
ist wie die Stammtisch-Behauptung, Pornos verursachten
Vergewaltigungen) ist die, dass der Konsument von Kinderpornos
sich zu immer härterem Material steigere. So meinte zum Beispiel
eine Berliner Rechtsanwältin in einer Expertenanhörung zum Thema
Kinderpornographie 1990:
"Kinderpornographie darf nicht auf den bisher strafbaren
Bereich beschränkt bleiben. Der Missbrauch von Kindern setzt
schon früher an, z.B. durch Videoclips für Strumpfwerbung oder
Autowerbung mit 10- bis 12jaehrigen Mädchen in sexuell
ausgerichteten Positionen oder in einer Anzeige zur Werbung von
Bundeswertpapieren im Stern, in der zwei Säuglinge mit ihren
unterschiedlichen Geschlechtsteilen deutlich gezeigt werden.
Bereits derartige alltägliche Beispiele müssten erfasst
werden, zumal auch die Täterforschung zeigt, dass mit dem
Konsum derartiger 'zufälliger' Bilder begonnen wird und sich
dann wie bei einer Sucht hin zu härteren Darstellungen steigern
kann."
Diese "Anfix-Hypothese" sieht in jedem Kind einen
Porno, und in jedem, der ein Kind anschaut, einen potentiellen Pädophilen.
Frau Bundschuh widerspricht dieser Hypothese (wahrscheinlich ohne
es zu merken), weist aber darauf hin, dass kinderpornographische
Bilder Hemmschwellen senkten und ein Gefühl der Normalität
erzeugten.
Um dies zu begründen, zitiert sie den Fall eines Pädophilen,
der schon befürchtet hatte, irgendwann durchzudrehen und zum
Kindermörder zu werden (vermutlich aufgrund der entsprechenden
Medienberichterstattung; E.M.), durch den Konsum von
FKK-Zeitschriften und ähnlichem an Pädophile gerichtetem
Material dann aber in Kontakt zu Pädosexuellen ohne Gewaltneigung
kam. In dieser Gruppe fand nur die pädophilentypische Verehrung
von Kindern Anerkennung, und so begann der potentielle Pädosadist
seine eigene Sexualität als normal anzusehen und versuchte, sie
in den Griff zu bekommen.
Dies findet Frau Bundschuh schlimm. Wäre es ihr lieber, der
Mann hätte tatsächlich ein Kind umgebracht? Sie baut auf die
Hoffnung der Therapie, obwohl die Therapeuten bisher noch keinen
Erfolg vorweisen konnten. Kein Wunder, beruht ihre Strategie ja
nicht darauf, die Triebe zu kontrollieren - beispielsweise durch
überwachte Triebabfuhr in Fantasiewelten -, sondern sie zu
unterdrücken. Dadurch werden Sexualstraftäter wie der kürzlich
in Brandenburg entflohene Frank Schmökel zu tickenden Zeitbomben.
Nun spricht Frau Bundschuh die Problematik der Manipulation von
Kindern durch FKK-Bilder für den späteren Missbrauch an. Sie
zitiert spöttisch einen Pädophilen, der eigene Erfahrungen
beschreibt. Die Kinder würden über die Bilder lächeln, sie fänden
sie ganz toll. (Wohlgemerkt: Hier handelt es sich um Fälle, bei
denen keinerlei Gewalt angewandt wurde, sondern ein sexueller
Kontakt zwischen Kindern und Jugendlichen und Erwachsenen zustande
kam.)
Wendet man die Logik der Referentin an, muss man erneut die
Frage stellen, ob es ihrer Ansicht nach besser wäre, wenn die Täter
die Kinder mit Gewalt gefügig machen würden. Weiterhin ist es
nicht Sache der BPjS, Pädophile am Zugang zu dem entsprechenden
Material zu hindern, sie können es ja auch nach einer Indizierung
noch legal kaufen, sofern es weiterhin verlegt wird.
Der Penis im Zentrum
Als Beispiel für die verwendeten Bilder zeigt sie ein
FKK-Bild, auf dem ihrer Ansicht nach der "Penis im
Zentrum" steht. Tatsächlich ist der Penis sichtbar,
weder vergrößert noch speziell in die Bildmitte gerückt noch
erigiert.
Als nächstes zeigt sie uns (offenbar ohne Angst, uns damit in
Pädophile zu verwandeln) die indizierten Bilder aus der
Modezeitschrift Vogue. Junge Mädchen, geschminkt, teilweise mit
entblößten Brustwarzen. "Welchem Täter ist es zu verübeln,
wenn er so ein Mädchen missbraucht?" fragt sie tatsächlich
beim letzten Bild.
Ihre eigene Aussage zur Triebabfuhr mit Kinderpornographie
kontert sie, indem sie auf Tätertherapeuten hinweist, die eine
andere Wirkung beobachteten. Das ist kaum verwunderlich, geht doch
fast die gesamte Therapeuten-Literatur von einer Anfix-Wirkung
aus, und dass die Literatur die Wahrnehmung bestimmt, zeigt sich
bereits bei den oben erwähnten Missbrauchs-Therapeuten.
Weiterhin nennt sie den Fall eines Pädophilen, der den Konsum
von Kinderpornos bei Freunden als "die reine Hölle"
bezeichnet habe, danach sei er immer ganz erregt und verliere fast
die Kontrolle. Geht man davon aus, dass das gemeinsame Anschauen
eines Porno-Films nicht die gemeinsame Masturbation mit einschließt
(und damit den Orgasmus als Triebabfuhr), so ist dies die logisch
zu erwartende Wirkung.
Der erste Konferenztag geht zu Ende. Ich unterhalte mich mit
Freunden über die Ergebnisse und verbringe einen großen Teil der
Nacht damit, meine ersten Notizen auszuformulieren. Am nächsten
Tag wird es ausschließlich um (Kinder-)Pornographie gehen.
Das erste Referat des zweiten Tages befasst sich mit
"Pornographie im Widerstreit zwischen Jugendschutz und
Medienfreiheit". Ein gutes Thema für mich, habe ich doch im
Rahmen einer Auftragsstudie die bisherige
Pornographiewirkungsforschung analysiert und die Ergebnisse
bereits auf zwei Vorträgen zusammengefasst.
Gewaltfreie Pornographie schadet nicht
Leider präsentiert Martin Schweer, Professor für Pädagogische
Psychologie aus Vechta, nur wenige Forschungsergebnisse. Er
beginnt mit einem Manet-Bild des 19. Jahrhunderts, das damals große
Empörung ausgelöst habe. Für die Moderne nennt er als Beispiel
einen 12- Jährigen, der bei der Suche im Internet nach dem
Begriff "Krankenschwester" auf pornographische Bilder stößt.
Professor Schweer verweist auf das Grundgesetz und auf die Befürchtung,
pornographische Bilder machten aggressiv. Eine Indizierung diene
dazu, die Verbreitung zu verhindern und Normen und Werte
festzulegen (auch für Erwachsene!).
Pornographie sei aufdringlich und degradierend. Dennoch gebe es
einen Vorbehalt von Wissenschaft und Kunst. Die einfache
Behauptung, der Konsum schädige, sei falsch. Er redet von einem
"komplexen Bedingungsgefüge" und weist korrekt darauf
hin, dass bisher kein empirischer Beleg für eine Negativwirkung
von gewaltfreien Pornos existiert. Insbesondere bei Gewaltpornos
gebe es aber Hinweise auf eine langfristige Veränderung der
Einstellung zu Frauen, zitiert wird die bedeutende Langzeit-Studie
von Henner Ertel.
Nun geht Schweer noch auf die Problematik der
Kinderpornographie ein. Er zitiert zwei typische Angebote für
Videokassetten: "zwei kleine Mädchen nackt, später kommt
ein Mann hinzu", "neunjährige Lolita mit 38jährigem
Mann". Auch manche Eltern machten Nacktbilder von ihren
Kindern, und auch manche FKK-Bilder seien eine Form von
Kinderpornographie. Ferner sieht er einen Trend dazu, unter dem
"Deckmantel der Information" (in Berichten über
Kinderpornographie, Kinder- und Jugendprostitution usw.)
kinderpornographische Bilder zu zeigen. Mit anderen Worten: Die
Freiheit der Presse endet da, wo die Moralvorstellungen der BPjS
anfangen.
"Die Meinung, Kinder haben eine Sexualität und können
diese auch genießen, darf/sollte nicht verbreitet werden",
so Schweer weiter. Dass es sich hierbei nicht um eine Meinung
handelt, sondern um eine wissenschaftliche Tatsache, die auch von
vielen selbsternannten Kinderschützern nicht angezweifelt wird,
verschweigt er.
Nach dem Referat melde ich mich ein letztes Mal zu Wort. (Das
Gemurmel beginnt bereits, als ich aufstehe, als ich anfange zu
reden, sagt jemand hörbar "Knallkopf".) Ich zitiere
Studien, die eine positive Beeinflussung der Einstellung gegenüber
Frauen, Homosexuellen und Kontrazeptiva durch den Konsum
pornographischer bzw. erotischer Darstellungen nachweisen. Ferner
weise ich erneut darauf hin, dass es keinerlei empirische Unterstützung
für die Hypothese gibt, Pornographie fördere schädliches
Verhalten bei Jugendlichen oder Erwachsenen.
"Es gibt unzählige Studien, die zeigen, dass Sexualstraftäter
aus sexuell repressiven Elternhäusern kommen, in denen
Pornographie und Nacktheit tabu sind." Ich beende meinen
Kurzvortrag mit der Frage: "Gibt es irgendeine
wissenschaftliche Grundlage dafür, gewaltfreie Pornographie für
Jugendliche zu verbieten?"
Der Referent geht der Frage aus dem Weg und redet von möglicher
negativer Wirkung gewalttätiger Pornographie und von notwendiger
Förderung von Medienkompetenz.
Nach der Beschwerde eines Mitarbeiters von Staatsanwaltschaft
oder Polizei über die Faktenarmut des Referats kann sich Detlef
Drewes nicht mehr zurückhalten, er muss etwas zu meinem
Wortbeitrag von vorhin sagen. Der katholische Theologe und
Redakteur der Augsburger Allgemeinen tingelt als
Kinderporno-Experte durch die Medien, spätestens seit er ein S/M-
Studio auffliegen ließ, das seiner Ansicht nach Kinder in
perversen Ritualen folterte. Beweise dafür gab es nie, aber die
Story war gut für Boulevardmedien.
Drewes hat Verbindungen zum religiösen Fundamentalisten
Michael Brenner vom M.U.T. e.V., der sich damit beschäftigt,
Indizierungsanträge gegen BRAVO, Pro Familia & Co. bei den
Jugendämtern durchzudrücken. In seinem Buch "Die Welt
vergeht - die Liebe bleibt" warnt Brenner vorm allgegenwärtigen
Satan und seinen Versuchungen, vor bösen Journalisten, vor Kultur
und sogar vor Logik (kein Witz). Ein Bild zeigt einen bösen Sünder,
der nach seinem Tod von Maden zerfressen wird ..
Gemeinsam mit Brenner kämpfte Drewes gegen Pro Familia wegen
der Veröffentlichung von Pornographie z.B. in der erotischen
Fotobuchserie "Mein heimliches Auge". Dabei geht es
offenbar vor allem darum, dem Verein, der Frauen z.B. bei
Abtreibungen unterstützt und wichtige Sexualaufklärungs-Arbeit
leistet, öffentliche Gelder zu entziehen.
Und wieder einmal: Wissenschaft ist überflüssig
Drewes selbst warnt auf seiner Homepage
vor Pornos im Internet und natürlich auch vor "Sekten und
Satanismus: Destruktive Sekten, okkulte Geheimbünde,
satanistische Logen sind im Internet aktiv. Natürlich treten sie
nicht offen auf, aber sie nutzen das Medium, um Heranwachsende,
Kinder, aber auch Erwachsene anzusprechen und schließlich zu
erpressen, um neue Opfer für ihre obskuren, zum Teil
sexual-magischen Riten zu finden." In diesem Statement wird
die Ideologie der Therapeuten für sogenannten "rituellen
sexuellen Missbrauch" sichtbar, eine reine Fiktion, die im
bereits erwähnten Buch "Making Monsters" ausführlich
seziert wird. (Einige der Therapeuten reden von der Existenz einer
internationalen satanistischen Untergrundorganisation, die
weltweit Kinder nach der Geburt entführe und mit CIA und FBI
zusammenarbeite ..)
Es gibt also keinen Zweifel daran, welchen Kreisen Drewes
zuzurechnen ist. Dieser Mann weist mich nun nach meiner Frage nach
empirischen Belegen für das Porno-Verbot darauf hin, dass solche
gar nicht nötig seien, dass Wissenschaft bestimmte Fragen nicht
klären könne, und dass ihm in seiner Praxis die Wirkungen von
Pornographie nur allzu deutlich würden. Für seine antisäkulare
Rhetorik erhält Drewes vor dem Publikum der BPjS Applaus - nicht
von allen, aber von vielen. Ähnliches erzählt auch eine Täter-Therapeutin,
die der Meinung ist, Täter würden sich zu immer härterem
Material hochschaukeln, eine populäre These, die ich bereits oben
angesprochen habe. Und noch ein letztes Publikumsmitglied meint,
auf die Überflüssigkeit von Wissenschaft hinweisen zu müssen.
Wieder Applaus.
Der nächste Referent ist Manfred Kaltwasser vom
Bundeskriminalamt Wiesbaden. Er hält einen sehr faktenreichen
Vortrag über die "Pädoszene in Verbindung mit
Kinderpornographie im Internet". Das BKA führt dabei keine
eigenen Ermittlungen, sondern koordiniert lediglich die
Ermittlungen anderer Ämter. 80% der Ermittlungen wegen
Kinderpornographie seien Auslandsermittlungen, was natürlich
Erfolge oft schwierig mache.
Kaltwasser weist auf den Porno-Scanner Perkeo
hin, der den deutschen Internet-Datenverkehr (in ungenanntem Ausmaß)
überwacht und mit dem Bilder-Archiv des BKA vergleicht. Erwähnt
wird z.B. das Referat ZaRD für "zentrale anlassunabhängige
Recherche in Datennetzen", das gezielt nach KP-Seiten sucht.
International gibt es Interpol, Europol, MEPA (Mitteleuropäische
Polizeiakademie) und verschiedene Nicht-Regierungsorganisationen.
Er stellt uns die verschiedenen Materialbereiche vor, mit denen
das BKA zu tun hat: