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Untersuchungen, Modelle und Ideologie

Wie ist falsche Ideologie zu bekämpfen?

Dr. Frans E.J. Gieles

KOINOS Magazine # 62, Sommer 2009
Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag, gehalten bei dem jährlichen Ipce-Treffen im Juli 2008.

In Koinos 60 haben wir einige Ergebnisse von Untersuchungen über intergenerationelle intime Beziehungen beschrieben. Wir erwähnten Untersuchungen, die nicht voreingenommen waren oder Erfahrungen zumindest mit offenem Blick betrachteten. In vielen anderen Fällen aber vermischen sich Moral und Wissenschaft. Bestimmte Fakten oder Ansichten dürfen nicht existieren, dürfen nicht wahr sein, und deshalb können sie nicht wahr sein. 

Wie kann man in ‘Wissenschaft’ gekleidete falsche Ideologie bekämpfen?

In seiner Untersuchung unter 1058 Befragten fand Michael Baurmann heraus, dass mehr als 50 % der ‘Opfer’ sich nicht als ‘Opfer’ betrachteten. Von den Jungen in seiner Untersuchung bezeichnete sich keiner als Opfer. 
Ein anderer Forscher, Rüdiger Lautmann, stellte fest, dass seine sechzig Befragten, die sich alle zu Kindern hingezogen fühlten, ihre eigenen ethischen Normen und Lebensweisen entwickelt hatten, vor allem mit Hilfe von Selbsthilfegruppen. 
Michael Griesemer kritisierte die üblichen Untersuchungen über intergenerationelle Kontakte als unzulänglich wegen schlechter oder mangelnder Definitionen, schiefer Argumentationen und sonstiger methodologischer Fehler. 
Und Horst Vogt konstatierte, dass die Hälfte seiner Befragten gesellschaftlich gut funktionierte und psychologisch gesund war, außer wenn man gestresst war.

Wie gingen diese Forscher vor? 

Welche Arten von Untersuchungen stellten sie an? Welches Modell wählten sie? 

Lautmann und Baurmann benutzten ein qualitatives Modell, genauer gesagt das narrative Modell. Sie baten die Befragten, sich mündlich oder schriftlich zu ihren Erfahrungen, Empfindungen und Ansichten zu äußern, also ihre Sicht der Dinge zu schildern. 
Ein Forscher, der sich für dieses Modell entscheidet, geht nicht von einer Hypothese aus, sondern beginnt mit einer offenen Frage. Lautmann befragte auf diese Weise die erwachsenen Partner, Baurmann die jugendlichen Partner. 
 
Eine weitere qualitative Methode ist die historische Methode. Wer dieses Modell benutzt, versucht eine Behauptung oder eine Hypothese mit Hilfe von historischen Daten zu beweisen. Die Untersuchung von Griesemer stützt sich auf dieses Modell. 
 
Vogt schließlich benutzt eine quantitative Methode, die eine spezifische Hypothese zu widerlegen versucht. Er misst seine Faktoren und schafft Variable und untersucht anschließend die Korrelation zwischen den Variablen.

Modelle der Interpretation und der Betrachtungsweise

Jeder Forscher hat eine Betrachtungsweise, welche die Grundlage seiner Untersuchung bildet; eine Betrachtungsweise, innerhalb deren er seine Frage formuliert oder seine Hypothese aufstellt und innerhalb deren er die Daten und Ergebnisse interpretiert. Er hat eine Betrachtungsweise in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand und eine dieser zu Grunde liegende Betrachtungsweise in Bezug auf den Menschen, die Gesellschaft und das menschliche Wissen. 

Man könnte es sogar wie folgt formulieren: Jeder Autor hat eine zu Grunde liegende Betrachtungsweise und jede Betrachtungsweise hat, oder ist, ihrerseits eine zu Grunde liegende Ideologie. Jede wissenschaftliche Untersuchung hat somit in gewissem Sinne eine zu Grunde liegende Ideologie. Wer sich dessen bewusst ist, meidet den Fallstrick der verschlossenen oder falschen Ideologie.

In der wissenschaftlichen Literatur zu intimen intergenerationellen Beziehungen unterscheidet man viele Arten von Forschungsmodellen. 

An dem einen Ende des Spektrums finden sich die Modelle, ‘die alles schon wissen’. In diesen Modellen werden keine Fragen gestellt; man erteilt kurzerhand eine direkte Antwort. Diese Modelle kennzeichnen sich durch eine beschränkte Betrachtungsweise und einen beschränkten Gesichtskreis. 
Ein Beispiel dafür ist das Modell der ‘Denkfehler’, in dem ausschließe politisch korrekte Argumentationen ‘richtig’ sind. Wer anders argumentiert, liegt schief und ist mit einer kognitiven Störung behaftet.
Ein zweites Beispiel für beschränkte ‘Wissenschaft’ ist das feministische Modell. Auch in diesem Modell kennen die Forscher die Antworten, noch bevor auch nur eine einzige Frage gestellt worden ist. Nötigenfalls korrigieren sie die Wirklichkeit. Das feministische Modell beschreibt unser Umfeld nach einem simplen Schema: Eine Frau ist immer gut, ein Mann ist immer schlecht.
In der ‘Dämonologie’, einem dritten Beispiel für ein Modell, ‘das alles schon weiß’, lässt dich überhaupt keine Argumentation entdecken, geschweige denn eine kritische Argumentation. Hier lautet die Dichotomie nicht ‘wahr oder unwahr’, sondern ‘moralisch gut oder schlecht’. Überflüssig zu sagen, dass in diesem Modell jeder, der ein Kind liebt, per definitionem schlecht ist, ein Dämon ist. Ohne dass man es weiß, lässt man sich blindlings von dem eigenen Schatten, dem eigenen inneren Dämon führen.
 
Einen Kontrast zu diesen und anderen beschränkten Modellen bilden die Forschungsmodellen, in denen Fragen gestellt werden und versucht wird, ehrliche Antworten zu bekommen; Modelle, in denen man die Antworten in einem größeren Kontext sucht.
Bei der Untersuchung der Dynamik der menschlichen Seele beispielsweise wird seriös, auf der Grundlage von Respekt, nach der menschlichen Seele und deren Dynamik geforscht. Der Forscher beschreibt die inneren Kräfte und ihre Dynamik ohne eine moralisches Urteil zu fällen.
Die historische Vorgehensweise ist ein weiteres Beispiel. Diese Methode distanziert sich zuweilen von der narzistischen Betrachtungsweise, wonach nur unsere moderne, westliche Kultur ‘erleuchtet wurde’ und Menschen in anderen Kulturen schlicht und einfach dumm waren oder immer noch sind.
Sozialstrukturmodelle, ein drittes Beispiel, versuchen ein bestimmtes Phänomen innerhalb des sozio-historischen Kontextes zu erklären. Ein gesellschaftliches Ereignis vollzieht sich in einem bestimmten Zeitlauf und ist in dessen Kontext zu betrachten.

Ein Forscher, der beschränkte Forschungsmodelle benutzt, wird in Bezug auf seine Fragen, Hypothesen, Ergebnisse und Schlussfolgerungen stark von der zu Grunde liegenden Ideologie beeinflusst. Wer daran glaubt, dass Minderjährige Körperkontakt, Nacktsein, Schmusen und Intimitäten mit Erwachsenen als angenehm empfinden können, gilt in der heutigen westlichen Gesellschaft nicht nur als ‘schlecht’. Er wird als böse, pervers, krankhaft hingestellt, er wird dämonisiert und kriminalisiert, wenn nicht gar aus der Gesellschaft verbannt.

Bietet die Wissenschaft einen Ausweg?

Nein, leider nicht, denn die ganzen Ängste, unsinnigen Gesetze, Freiheitsstrafen, unzulänglichen Untersuchungen und ‘Verhaltensänderungstherapien’ basieren nicht auf solider Wissenschaft.

Es ist – so meine These – keine Wissenschaft, sondern Ideologie. Genauer gesagt: falsche Ideologie.

Wie kann man falsche Ideologie bekämpfen?

Erstens dadurch, dass man nachweist, dass es Ideologie ist – aber danach?

Wie soll man weiter verfahren?
Was soll man machen?
Was soll man nicht machen?

Um eine Antwort auf diese Fragen zu bekommen, wollen wir zunächst einmal sehen, was Ideologie ist und bewirkt, wie sie funktioniert.

Was ist Ideologie?

Eine Ideologie ist ein starker Glaube, der nicht angezweifelt wird. Mitunter ist man bereit, sich Fragen über das gewählte Modell zu stellen, aber in der Regel ist das Denken geschlossen, ohne dass das Modell selbst irgendwie in Frage gestellt wird.

Es ist wie eine Burg, die gegen Informationen verteidigt wird, die den starken Glauben anzweifeln. Untersuchungen, die Modelle benutzen, in denen nicht richtig gefragt wird, werden diesen Glauben bestätigen und stärken. Es ist wie mit einer Brille: Wenn die Gläser grün sind, ist die Welt grün.

Führen wir doch mal ein kleines Denk-Experiment durch, indem wir uns gewissermaßen die Brille unserer Gegner aufsetzen und einen Blick auf die oben genannten Forscher werfen. Was würde man mit dieser Brille auf der Nase ‘sehen’?

Baurmann befragt die jugendlichen Opfer und übernimmt ihre Wahnvorstellung, dass sie keine Opfer seien. Die Opfer, die wir mit unseren Therapien behandeln, bekommen von selbst heraus, dass sie sehr wohl Opfer sind!
Lautmann seinerseits hört Verrückten zu und nimmt ihre Geschichten ernst. Er erweist uns einen guten Dienst, indem er eine Übersicht über all ihre Denkfehler verschafft.
Griesemer berichtet aus einer dunklen vergangenen Zeit, bevor wir erleuchtet wurden und die Wahrheit erkannten.
Vogt schluckt einfach alles, was die Erwachsenen in seiner Untersuchung erzählen, und schenkt den jugendlichen Opfern überhaupt keine Beachtung. Er behauptet, die meisten seiner Befragten seien ganz normale Menschen, aber das ist unmöglich. Er weigert sich, ihre verzerrten Vorstellungen als solche zu erkennen, und das sind sie per definitionem: Das Hegen pädophiler Empfindungen deutet ja auf eine kognitive Störung hin.
All diese Autoren müssen zwangsläufig selbst pädophil sein. Ihr einziges Anliegen ist es, den Tätern ihren Missbrauch zu erleichtern. Wegen ihrer eigenen Störung können sie keine zuverlässige Untersuchung durchführen oder die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Sie sind voreingenommen – wir sind das selbstverständlich nicht!

Wie ist falsche Ideologie zu bekämpfen?

So ist Ideologie, und so funktioniert sie. Man sieht, dass sich Moralismus und Wissenschaft vermischen. Bestimmte Fakten oder Ansichten dürfen nicht existieren, dürfen nicht wahr sein, und deshalb können sie nicht wahr sein.

Wie ist diese falsche Ideologie zu bekämpfen? Wie lautet Ihre Antwort? Hier ist meine:

1. Sagen Sie und beweisen Sie, dass es sich tatsächlich um Ideologie handelt.
 
2. Veröffentlichen Sie unentwegt Faktenmaterial, zum Beispiel Rückfallzahlen, die immer wieder als ‘sehr hoch’ dargestellt werden, in Wirklichkeit aber sehr niedrig sind. Verbreiten Sie Informationen über erlittene Schäden. Es heißt immer, dass in 100 % der Fälle ein Schaden entstehe, aber Forscher wie Rind und sein Team haben in Wirklichkeit ermittelt, dass es in 4 % aller Fälle einen Schaden gab.
 
3. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Präsentation ausgewogen ist. Die Website von Ipce ist um Ausgewogenheit bemüht und erwähnt darum auch Finkelhor, Dallas und andere und lässt auch tatsächliche Opfer zu Wort kommen.
 
 4. Versuchen Sie nicht die große Masse zu erreichen. Beschränken Sie sich auf den gebildeten Teil der Bevölkerung – auf diejenigen, die, wie wir hoffen wollen, kritisch zu denken vermögen.
 
5. Appellieren Sie an Gefühle und Emotionen, benutzen Sie Gedichte, Erzählungen, Filme, Romane, Bilder, Musik, Kulturereignisse. Ein guter Popsong hat unter Umständen mehr Einfluss als fünf wissenschaftliche Verhandlungen. Hüten Sie sich aber vor Romantisierungen!
 
6. Vermeiden Sie das Wort und die Konzeption ‘pädophil’ als Identität. Unterscheiden Sie immer zwischen Empfinden und Verhalten.
 
7. Erkennen Sie die Gesetze an und empfehlen Sie andere deren Einhaltung.
 
8. Akzeptieren Sie, dass manche Leute psychisch nicht im Stande sind, ihre Überzeugungen in Frage zu stellen.
 
 9. Seien Sie nicht radikal. Radikale können keine Brücken schlagen: Sie bauen Schlösser, möglicherweise sogar Luftschlösser. Manche Radikale, so scheint es, können nur kurze Zeit aktiv sein; dann verschwinden sie.
10. Versuchen Sie zwischen Glauben A und Glauben B eine Brücke zu schlagen. Eine Brücke ist kein Glaube, sie ist wie ein Fährmann, der hin und her fährt.
Gehen Sie diplomatisch vor, suchen Sie nach geteilten Standpunkten und heben Sie im Gespräch geteilte Ansichten hervor: Menschenrechte, Respekt vor dem Gesetz, Rechte von Homosexuellen, liebevolle Zuwendung, Rechte von Kindern und Jugendlichen. Weiter: Sprechen Sie die Sprache Ihrer Gegner, damit die wenigstens verstehen können, was Sie zu sagen versuchen. Benutzen Sie ihre Begriffe, bestätigen Sie die und nuancieren Sie sie dann in Ihrem Sinn. Sprechen Sie von ‘Behandlung (absolut notwendig, für einige’), ‘Denkfehler (kommen vor, aber nicht überall’), ‘Missbrauch (gibt’s, aber nicht immer’) und ‘Schaden (entsteht, aber nicht in allen Fällen’).

Ich will solch eine Brücke sein.

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