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„… dann passt man´s halt dem Kasus an !“

Nachgerade die Rechtsentwicklung zur „Pädophilie“ seit 1990 ist in rund einem dutzend Aspekten der klassische Fall, wo ein Recht in mehreren Schritten eigens darauf angelegt wurde, einer bestimmten Gruppe mit für sie typischen Verhaltensweisen habhaft zu werden: 

In dem man nahezu alle Verhaltensweisen dieser sozialen Gruppe zum Verbrechen oder als verurteilungswürdige Gefahr hin zum Verbrechen deklarierte – und ohne jeden notwendigen Schadensnachweis.

Der Einzelfall wird also nicht daran bemessen, ob das Recht seine Bestrafung vorsieht – sondern das Recht wird quasi an die Zielgruppe angepasst, um ihrer habhaft zu werden. Dies ist in der ausführlicheren Fassung der „Erläuterungen“, derzeit noch in Überarbeitung, punktuell hergeleitet. 

An dieser Stelle nur einige Punkte:

1) 

Die (wahre oder unwahre) Bestreitung von Tatvorwürfen wirkt in Prozessen per se bereits strafverschärfend 

(auf dem Umweg „mangelnder Geständigkeit“) 

- ebenso wie die Einbestellung der Kinder als potentielle Entlastungszeugen durch den Beschuldigten oder seine Rechtverteidigung. Der BGH hat gebilligt, dass das Strafmass erhöht wird, sobald ein Beschuldigter für seine Rechtsverteidigung die Kinder als Entlastungszeugen vor Gericht gehört haben möchte. Die volkstümliche Begründung dafür ist bekannt 

(Den Kindern die Reaktivierung ihres Traumas vor Gericht zu ersparen).

2) 

Der Rechtsgrundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ ist praktisch ausgeschaltet worden in diesem Deliktbereich. Es findet seit einigen Jahren in keinem Prozess mehr statt, dass jemand bei zweideutiger Beweislage „im Zweifel für den Angeklagten“ freigesprochen wird. 

Dies unter anderem aus dem Grund, weil Angeklagte auf dem oben schon genannten Weg bereits im Vorverfahren zu falschen oder nur teilrichtigen Geständnissen genötigt werden können: Um dem 

„Kind eine neuerliche Traumatisierung als Zeuge vor Gericht zu ersparen“. 

Widersprechen sie, muss das Kind gehört werden – mit der Folge eines höheren Strafmasses.

3) 

Logischer Weise erkennt man in letzterem dabei allerdings nun auch das Faktum einer Vorverurteilung: Mit der rechtlich also inzwischen völlig legitim hantiert werden kann.

4) 

Die Schuld steht damit meist auch schon vor dem ersten gerichtlichen Verhandlungstag fest 

(auch, wenn ein Verhandlungstag zum zeremoniellen Abspulen dieses langer Hand schon vorbesprochenen „Deals“ stattfindet). 

Eine Wahrheitsfindung in einem ordentlichen Gerichtsprozess erfolgt also gar nicht mehr.

Zwischen 1990 und Gegenwart ist also präzis das geschehen, was Hartwig Weber über die Rechtsentwicklung zu den Hexenprozessen im 17. Jahrhundert rekonstruiert hat: 

„Die bei anderen Strafverfahren üblichen Maßgaben zum Schutz der Verdächtigen und Angeklagten wurden Schritt um Schritt außer Kraft gesetzt“ (S. 224).

5) 

Im Kern aber: Ein Schaden durch eine Handlung, für die man immerhin gehenkt wurde, musste mit der juristischen Einführung des „Ausnahmeverbrechens“ Hexerei nicht einmal vom „Täter“ intendiert worden sein. 

Tatsächlich ist in Pädophilieprozessen die „allgemeine Möglichkeit“ Grundlage der Bestrafung, dass ein Schaden hätte eintreten können; oder dass er „nicht auszuschließen“ ist. 

(Schäden empirisch auch keineswegs immer oder auch nur meistens ein. Daher spricht die Justiz bei sexuellen Handlungen an oder mit Kindern ja nicht von ungefähr vom „abstrakten Gefährdungsdelikt“). 

Ein individueller Schädigungsnachweis oder eine Schädigungsabsicht ist nicht von Nöten um Jahre Freiheitsstrafe zu verhängen - oder auch die Sicherverwahrung 

(Einsperrung ggf. bis zum Tod): 

Letzteres ist in diesem Fall durch nicht viel mehr begründbar, wenn ein Pädophiler mehrfach wegen unspezifizierter körperlicher Berührungen wegen „sexuellen Missbrauchs“ verurteilt wurde, die pädophilen Empfindungen dabei fortbestehen und der Betroffene den 

(nicht nachgewiesenen oder nachweisbedürftigen!)

Schädigungsszenarien bezogen auf seine individuellen Delikte widerspricht. 

Darin wären er wissenschaftlich nun sogar nicht unerheblich gestützt. 

Hierzu ein Rekurs zur tatsächlichen Forschung: 

Im Überblick aller zur Klärung tauglichen „meta-analytischen“ Berechnungsstudien ermittelt sich - aus hunderten von Einzeluntersuchungen - die Wahrscheinlichkeit von Schäden bei Kindern durch solche Delikte 

(meist sind es nur kurzzeitiger Verhaltensreaktionen bei den Kindern, ausgenommen bei innerfamiliärem Missbrauch) 

exakt im Unentscheidbarkeitsbereich: Um 50 %. 

Selbst bei den verbleibenden 50 % der Kinder „mit Schäden“ ist nun aber nicht zu sagen, ob diese psychischen Phänomene von den sexuellen Handlungen – oder überhaupt vom Beschuldigten – herrühren: 

Weil es für diese durchwegs korrelativen Daten dazu zwischen „Delikt“ und „Beobachtung danach“ nämlich auch 5 verschiedene Kausalrichtungen gibt, die wir auf keine Weise untersuchen können 

(es sei denn, wir führten experimentell das Delikt herbei !). 

Somit beträgt die Wahrscheinlichkeit, ein „Symptom Y“ ginge ursächlich auf das Delikt X zurück – logisch gerade einmal 1/5. 

Will man das andererseits nun durch die Division mit einer ganzen Summe von Faktoren bestimmen, von denen wir wissenschaftlich wissen, dass „Symptome“ sich entwickeln können, ohne dass das Delikt dafür verantwortlich sein muss 

(Aufdeckungsfaktoren bspw., Reaktionen der Umgebung oder Strafprozessfolgen): 

So käme man (mindestens) auf 1/12.

Hier kommen wir auf ein weiteres Beweismerkmal für einen Wahn bzw. Hysterie: 

Da es nicht wirklich um die rationalen Gründe geht, wird diese Faktenlage ausgeblendet, so deutlich sie auch immer einem sichtbar unter seiner Nase liegt. 

Die Reaktionsweisen sind durchgehend polemischer Natur. „Sachlich“ wird allenfalls begründet, dass, selbst wenn ein Schaden nur in einem Falle unter 100 einträte, dieser bei sexuellem Missbrauch derart gravierend sei, dass einem diese Befundlage für die gegenwärtige Art Strafverfolgung gleichgültig sein könne. 

Hierbei ist man nun allerdings bei einem ähnlich unschönen Relikt des von mir gezeichneten archaischen Denkens: Man ist damit praktisch bereits bei der Sippenhaft, und bei einer Einstellung, wonach ein erschossener deutscher Soldat in einem italienischen Dorf rechnerisch die Erschießung von 100 Italienern rechtfertigt.

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