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„Eine Wahrheitstherapie“

Ich erlaubte mir den abgründigen Spaß, auf verblüffende forensische Parallelitäten zwischen den Kinderaussagen zur Zeit des Hexenwahns und dem heutigen Wesen selbsternannter oder sogenannter Experten über die Kinderseele in den sexuellen Missbrauchsprozessen der Moderne anzuspielen: Gegen pädophile Hexenmeister, die ja oft mit geradezu magischen oder satanisch gezeichneten Bestrickungs-, Verführungs- und Manipulationskünsten ausgestattet werden. 

Geradezu magisch erscheinen auch ihre zerstörerischen Wirkungen auf die kindliche Seele, kaum dass sie Kinder – erotisch zu deutend – irgendwie berühren. 

Die insgesamt hinter den Kinderaussagen über Hexerei stehenden soziokulturellen Ursachen und psychologischen Prozesse können hier nicht erschöpfend dargestellt werden.

Nur soviel sei gesagt: 

Die Aussagen- und Vernehmungsprotokolle sind ein „wahres Fressen“ für jeden Sozial- oder Kinderpsychologen. Oder für Forensiker heute im Bereich „Kindesmissbrauch“ oder „Pädophilie“: 

Auf diesem Gebiet betrifft es 

1) das massensuggestive Getriebe von öffentlicher Indoktrination über moderne Dämonen auf die kindliche Verarbeitungspsychologie von allen Seiten; 
 
2) die Indoktrination eines sexuellen „Schadenszaubers“ - sowie 
 
3) die Psychologie erlebter sexueller Schuldqual, für die ein Mensch der Umgebung bezichtigt werden muss. 
Es gehört auch dazu: 
 
4) Organisierte öffentliche Aufforderungen zu sexuellen Bezichtigungen. 
Es betrifft auch: 
 
5) Einen Aberglauben aus irrationaler Sexualdämonologie
Eine weitere Parallelität ist 
 
6) die Indoktrination eines die eigene Seele zerfressenden Schreckens „unsäglicher“ - sexueller - Taten; 
 
samt den Auswirkungen solcher Suggestionen auf Kinderaussagen über individuelle sexuelle Handlungen und über individuelle Täter 
(soziale „Personenstereotype“ als Suggestiveffekt für Falschaussagen).

Wie damals, so bestimmen dieselben Prozesse auch heute das Bild, das man sich dann hinterher aus den Aussagen der Kinder als Erwachsener von Unholden und zauberischen Schreckenstaten macht. 

Kinder - so lehrt sich aus den Akten der Hexereiprozesse nachdrücklich - antworten in der Dämonologie, in der wir sie erziehen, und die wir vorher in sie hineinsuggeriert haben

Geben wir ihnen dämonologische Umschreibungen 

(z.B. warnende sog. Prä-Ereignis – Suggestionen), 

so können sie die Dinge nicht einmal anders wahrnehmen, die später 

(passend zu der Suggestion zuvor) 

eintreffen: 

Weil sie ihre Wahrnehmungen mit solchen dämonologischen Etiketten auch bereits kodieren - und sie in der Kommunikation später auch kaum anders berichten können

Wie augenblicklich überzeugt, beeindruckt, erschüttert und erschreckt ist da der Inquisitor gewesen, wenn er nun aus Kindermund (wie durch ein Wunder!) haargenau das von Dämonen und ihrem Treiben erfährt, was er schon immer selber glaubte. 

Wir sprechen hier noch nicht einmal über die überall redewörtlichen Gedächtnisprozesse für Falschaussagen, über Suggestionen durch Befrager über das Ereignis nach dem Ereignis (Post-Event – Suggestionen), oder von Befragungen, die ihrerseits nur auf einschlägige Antworten abheben. 

Die massenhafte multimediale Volksaufklärung von allen Kanälen seit ca. 1990 – bis in den „warnenden“ Aufklärungsunterricht - haben 

(analog zum allgemeinen Hexentopos in der Bevölkerung zur Zeit der Kinderhexenprozesse mit ihren Aussagenartefakten) 

dafür gesorgt, dass sich Kinder in ihren Aussagen in Gerichtsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs oder gegen Pädophile inzwischen nur noch nach sog. 

Personen- und Handlungsstereotypen äußern können - in einschlägige Richtung also. 

In den 70er und 80er Jahren hingegen gab es diesbezüglich noch zwei Extremgruppen von aussagenden Kindern. 

Die einen schilderten ihre Erfahrung oder den angeklagten Menschen als positiv, 
die anderen als negativ. 

Heute gibt es diese 1. Gruppe nicht mehr, nur gelegentlich trifft man noch auf Kinder bzw. Berichte dieser 1. Kategorie von Fällen.

Dafür gibt es triftigere Erklärungen als dass Pädophile böser oder das Sexuelle folgenreicher geworden wäre: 

Zuerst greifen bei heutigen Kindern von allen Kanälen sog. „prä-event – Suggestionen“ 

(Suggestionen über ein Ereignis schon vor dem Ereignis) 

- bereits seit dem Kleinkindalter: 

Heute gegen „pädophile“ Teufel, die ihnen später einmal begegnen könnten, oder was entsprechende magische Handlungen zu bedeuten hätten, wenn sie sie später einmal bei einem solchen Bekannten beobachten. 

Diese Vorgaben bewirken, dass Kinder spätere entsprechende Beobachtungen dann in der Wahrnehmung bereits einschlägig kodieren, wenn sie später einem solchen Menschen begegnen, mit ihm interagieren, oder wenn ein Mensch ihnen später tatsächlich einschlägige Interessen bekundet. 

Ein Beispiel für das Gemeinte: 

Werden Kinder in der Erziehung bereits im Kleinkindalter vor „Schwarzen“ gewarnt, dann erleben sie bereits ein Bedrohungsgefühl, sobald sie später als Schulkind an der Bushaltestelle einem Schwarzen begegnen; einen Schock, wenn er ihnen dabei die Hand auf die Schulter legt - und ggf. auch Albträume nachts und in den Tagen nach der Begegnung. 

Entsprechend werden sie das Ereignis nicht nur traumatisch wahrnehmen, während es geschieht – sondern sie werden es für später auch als traumatisches Erlebnis abspeichern und selbst so begreifen 

(und es nicht anders später auch in ihren Aussagen dazu erinnern und berichten). 

Ist dies nun aber kausal dem Schwarzen zu verdanken – oder den beängstigenden erzieherischen Suggestionen? Genauso verhält es sich nun seit den Neunzigern bei „Pädophilen“. 

Nach solchen „prä-event – Suggestionen“ erledigen dann post-event – Suggestionen den Rest 

(soziale Suggestionen über das Ereignis nach dem Ereignis).

In der Regel haben post-event – Suggestionen bereits zwischen den ersten Erwähnungen des Kindes über verdächtige Vorgänge und über die diversen Vernehmungen dann durch Eltern und die Polizei am Ende gegriffen - lange ehe es seine Aussagen dann vor Gericht macht. 

Spätestens die staatsanwaltschaftliche Übersetzung der Vorgänge in Form der Klageschrift – das Kind hat ja nun nach den juristischen Wertungen zu werten, was geschehen ist, und es auch danach zu verbalisieren - greift sogar eine ganz beachtliche zusätzliche „post-event“ – Suggestion.

Nach dieser „Zange“ des Individuums zwischen prä-event – und post-event – Suggestion erklärt sich auch das sonst nicht auflösbare Gepräge der kindlichen Aussagen damals über Hexen und entsprechende Beobachtungen, durch welches in den Protokollen der Hexereiprozesse jeder mit einem Nachvollziehbarkeitsproblem konfrontiert ist, der sie liest: Wie konnten Kinder bildlich z.B. Ausritte von Nachbarn auf Besen oder Katzen bezeugen wie eine eigene Wahrnehmung?

Der massivste Suggestionseffekt, der bei alldem noch zusätzlich auf kindliche Aussagen und kindliche Erlebnisrepräsentanzen wirkt, ist forensisch nachgewiesener Maßen die Verabreichung von sog. „Personenstereotypen“. 

Auf diesen Sachverhalt stößt man aber schon, sobald man auch nur irgendeine x-beliebige Zeitung derzeit mit einem Bericht zum Thema „Pädophilie“ aufschlägt, und wenn man als Forensiker auch nur 10 der betroffenen Individuen kennengelernt hat: 

Die Darstellungen von Pädophilen und ihren „typischen Handlungsweisen“ haben buchstäblich den Variationsreichtum vom „Teufel mit dem Pferdefuß“ im Mittelalter. 

(Auch wenn die Charakterologie hier noch vorgibt, Menschen zu zeichnen. Es sind aber schematische „psychologische“ Stereotype. Gerade, weil sie als solche „authentisch“ wirken, sind sie in ihrer Suggestivwirkung vom Konsumenten nicht durchschaubar - und im Suggestionseffekt daher nur umso gefährlicher).

Die Ermordung von Kindern durch die bürgerlichen Hexereiprozesse zog sich bis in die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts hin 

(Wolf, 1990. S. 427). 

Der letzte Hexenprozess in Köln 1652 beinhaltete die Verbrennung eines zwölfjährigen Mädchens, weil sie mit dem Teufel beim Tanz gewesen sei, und weil sie Gott und der Religion abgeschworen habe 

(Wolf, 1990. S. 428).

Immerzu verweist in Akten die häufige Kombination freizügiger Gruppenveranstaltungen mit sexuellen Akten und dem Abschwören von Gott und der Schließung eines Vertrags stattdessen mit dem Teufel darauf, dass die heranwachsenden Jungen und Mädchen vor oder bei ihren sexuellen Versuchungen und Sündenfallen in dem Bewusstsein standen, sich damit folgenschwer in Gegnerschaft zur christlichen Religion zu stellen. 

Der sexuelle Verstoß per se 

(oder aber die Entscheidung dafür) 

hat möglicher Weise sogar eine Wendung von Gott zum Antichrist für sie vorausgesetzt 

(oder selbst bereits beinhaltet).

Es gibt mannigfaltige Hinweise darauf, dass gerade zu Zeiten des schlimmsten kirchlichen Moralregiments bis in den Alltag des Intimlebens hinein ein zunehmender Hass in der Bevölkerung auf die Geistlichen und auf die christliche Religion die Folge war. 

Jedenfalls grassierte in der damaligen Bevölkerung ein erhebliches Aggressionspotential gegen die „Pfaffen“ und die Obrigkeit – denen man sich äußerlich gleichwohl zu fügen hatte. 

Die demonstrative Absage an das Christentum und eine trotzige Hinwendung an den Teufel war ebenso eine Folge dieses inneren Protests, wie dass der Pakt mit dem Teufel der einzige Zugang zu den 

(ihm von der Kirche ja zugeschriebenen) 

sexuellen Freiheiten war. 

Zum anderen dürfen wir uns den „Teufel“ in der Volkskultur keineswegs immer als das „Böse“ vorstellen: Die Verehrung von Luzifer als Gottes schönstem und liebstem Engel bis zum - sexuell verstandenen – Sündenfall hatte eine alte Tradition in den noch von heidnischen Relikten durchsetzten Bevölkerung. 

Luzifer schien zahlreichen „subversiven Gruppen“ und „Protestbewegungen“, wie wir sie heute nennen würden, als Symbolisierung oder Schutzherr von Lebensbejahung und Sinnenfreude – umso mehr, als die Kirche immer mehr zur lebensfeindlichen, jede Lebensfreude austreibende und sie als sündig erklärende Instanz erschien. 

Es gab sogar entsprechende Kulte: Kultisch verbrämte Gruppensexorgien, wenn man so will. 

Entweder fanden sie infolge religiöser Intellektualisierungen unter kultischer „Schirmherrschaft“ des Teufels statt; 
oder aber dies wurde später - in der Situation der Anklage - von den Beschuldigten so dargestellt 
(quasi äußere teuflische Mächte und dämonische Verführer seien schuld).

Ein weiterer Aspekt ist, dass nach gängiger kirchlicher Lehre Gott und Teufel keineswegs Widersacher sind – Gott als Schöpfer über allem, was existiert, hat keinen gleichmächtigen Gegner – sondern dass Gott Luzifer als seinen vormals geliebsteten Engel schlicht in der Welt gewähren ließ, um die Menschen für ihn auf die Probe zu stellen hinsichtlich ihrer Erkenntnisfähigkeit zwischen „Gut“ und „Böse“. 

In entsprechenden Zwiespälten beinhaltete dies für die Menschen, sich eigene „Schuld“ auch quasi leisten zu können: Weil nach der christlichen Lehre ohnehin am Ende die göttliche Vergebung stand. 

Vorausgesetzt, man gab die Schuld in der Beichte zu und erhielt die priesterliche Absolution - oder in Form eines Geständnisses im inquisitorischen Strafverfahren und erhielt die angemessene Strafe - Spätestens die Abbüßung durch die Strafe – insbesondere die reinigende Kraft des Feuers – läuterte selbst von schwerster Schuld für´s Himmelreich. 

(Da nun der Protestantismus nicht die Rechenschaft gegenüber anderen Menschen und mithin die Absolution durch Priester akzeptierte, war klar, dass dieser Weg ins Himmelreich allenfalls durch die Läuterung des Leibes und die schwerste Abbüssung an Leib und Seele des Delinquenten möglich war).

Dies alles gilt unter der Einschränkung, dass die Aussagen auch von den sie aufzeichnenden Inquisitoren erst so stilisiert worden sein können. 

So ist es nur eine Hypothese unter mehreren, dass die Kinder deswegen einen „Pakt mit dem Teufel“ schlossen in Abkehr von der sie unfrei machenden christlichen Religion, weil sie in ihrer Verzweiflung - in Fällen realitätsverlustiger Verliebtheit oder einfach aus pubertärer sexueller Getriebenheit - in der Figur des Teufels einen ebenbürtigen anderen und ebenso mächtigen Schutzherrn suchten. 

Nichts liegt überdies näher in Zeiten, wo der christliche Glaube Furcht und Schrecken verbreitete, wo die Bedrückung durch den Kirchenzehnten, Kirchenstrafen, ständige Maßregelungen durch die Kanzel usw. ungerecht erschienen, und wo Geistliche perfider, doppelmoralischer und brutaler auf die Bevölkerung – und Kinder - wirkten als der Satan, dem sie böse Eigenschaften zuschrieben. Christ und Satan mussten austauschbar erscheinen, zumal Gott doch über beiden stand. 

Als Motiv kann auch durchaus gelten, dass man - als Ausdruck des Protests und der Verachtung der Geistlichen – sie am für sie schmerzhaftesten damit ärgerte, dass man ihnen demonstrativ den Teufel als Ersatzgott vor die Nase hielt. 

Ich selbst gewann in einigen studierten Protokollen von „Kinderhexenprozessen“ allerdings den leisen Eindruck, dass bei Gruppensex-Orgien, die dabei ganz offensichtlich geschildert wurden und wo Heranwachsende involviert waren 

(im Verkehr untereinander oder mit Erwachsenen), 

der spätere - anonyme - „Teufel in der Mitte“ 

(als Inspirator der Veranstaltung oder als der sexuelle Verführer) 

eine banale Erfindung der Kinder gewesen sein kann: Um eine konkrete Person im Ort zu schützen. 

Jedenfalls liegt es auf der Hand, dass dies in Anbetracht eines dämonengläubigen Befragers die naheliegendste und auch aussichtsreichste Methode war, den Bruder, einen Freund, den Nachbarn - oder den Bürgermeister - durch die Erfindung einer fiktiven Figur zu ersetzen. 

Kein Dämonenjäger hätte danach noch nach Verantwortlichen aus Fleisch und Blut für diese Treffen ermittelt. Und man selber war durch „dämonische Einwirkung“ wenigstens von eigenen Betreibungen entlastet: Gerade bei „perversen“ („widernatürlichen“) sexuellen Vergehen hatte für die Heranwachsenden nach dem Recht diese Zeit ohnehin der Tod gewartet 

(vgl. nachfolgende Erörterungen). 

Es wäre also die ideale Lösung gewesen. 

So manchem Mädchen, das seine Unschuld durch vorehelichen Geschlechtsverkehr dabei verloren hatte, mag der Tod vielleicht auch erstrebenswerter erschienen sein, als fortan bis zum Grab unter dieser Schande für sich selbst und die ganze Familie zu leben, deswegen lebenslang ungeheiratet - und mithin unversorgt - zu bleiben. 

Für so manchen „sodomitischen“ oder „bestiarischen“ Jungen hätte ohnehin der Tod gewunken – 

ob er nun die eigenen sodomitischen Regungen, Betreibungen und Handlungen darstellt; 
ob er einen nahestehenden gleichgesinnten Jungen oder Mann zum Verantwortlichen erklärt - oder 
ob er auf die Fiktion des anonymen Teufels zurückgreift, der an allem schuld sei. 

Um wenigstens andere zu schützen – und ein Stück Intimität auch von sich selbst.

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